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Haftet Amazon für die von Dritten begangenen Markenrechtsverletzungen?

9 Januar 2023

EuGH, Urteil vom 22.12.2022 – C-148/21, C-184/21

Louboutins bekannteste Waren sind edle Frauenschuhe mit roter Sohle. Die rote Farbe der Außensohle hat er unter anderem in der EU als geschützte Marke eintragen lassen.

Auf dem Online-Marktplatz Amazon erschienen auch Anzeigen von Drittanbietern, die sich auf Schuhe mit roten Sohlen beziehen, die laut Louboutin ohne seine Zustimmung in den Verkehr gebracht werden. Der Designer sieht seine Markenrechte auch durch Amazon verletzt und klagte deshalb in Belgien und Luxemburg gegen das Unternehmen.

Louboutin machte geltend, eine markenmäßige Benutzung sei erfolgt, insbesondere durch das Einblenden von Anzeigen für Waren mit einem solchen identischen Zeichen auf den Online-Verkaufsplattformen von Amazon, aber auch durch den Besitz, den Versand und die Lieferung solcher Waren. Eine solche Benutzung sei Amazon zuzurechnen, da sie bei der Benutzung des fraglichen Zeichens eine aktive Rolle gespielt habe und die Anzeigen für die markenverletzenden Waren Teil ihrer eigenen kommerziellen Kommunikation gewesen seien. Amazon könne daher nicht als bloßer Hosting-Anbieter von Websites oder als neutraler Vermittler angesehen werden, zumal sie Drittanbietern, insbesondere bei der Optimierung der Präsentation ihrer Angebote, Unterstützung gewähre.

Amazon bestritt, dass ihr die Benutzung eines mit der fraglichen Marke identischen Zeichens zugerechnet werden könne. Sie berief sich auf mehrere Urteile des Gerichtshofs in Rechtssachen, in denen es um Online-Marktplatzbetreiber wie eBay ging, um geltend zu machen, dass auch sie als Betreiberin eines solchen Marktplatzes nicht für die Benutzung eines mit der fraglichen Marke identischen Zeichens durch Drittanbieter, die ihren Online-Marktplatz nutzten, verantwortlich gemacht werden könne. Die Funktionsweise der in ihre Online-Verkaufsplattformen integrierten Marktplätze unterscheide sich kaum von derjenigen anderer Marktplätze.

Die Gerichte in Belgien und Luxemburg beschlossen, die Verfahren auszusetzen und den Gerichtshof vorab klären zu lassen, unter welchen Umständen die Benutzung eines rechtsverletzenden Zeichens in einem Verkaufsangebot eines Drittanbieters dem Betreiber einer Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz zugerechnet werden kann.

Der EuGH führt aus, dass es letztlich Sache der vorlegenden Gerichte ist, zu beurteilen, ob eine Markenrechtsverletzung gegeben ist. Er stellt jedoch klar, dass für die Beurteilung relevant ist, ob ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer dieser Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen dieses Betreibers und dem fraglichen Zeichen herstellt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn ein solcher Nutzer in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Eindruck haben könnte, dass dieser Betreiber derjenige ist, der die mit diesem Zeichen versehenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung selbst vertreibt. Insoweit ist relevant, dass dieser Betreiber die auf seiner Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert, indem er die Anzeigen für die im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauften Waren zusammen mit den Anzeigen für die von Drittanbietern auf dem betreffenden Marktplatz angebotenen Waren einblendet, dass er bei all diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt und dass er Drittanbietern im Rahmen des Vertriebs der mit dem fraglichen Zeichen versehenen Waren zusätzliche Dienstleistungen anbietet, die u.a. darin bestehen, diese Waren zu lagern und zu versenden.

Indem Amazon also gleichzeitig eigene Anzeigen und die von Drittverkäufern anzeigt und das eigene Logo auf allen diesen Anzeigen erscheint, wird eine klare Unterscheidung erschwert und erweckt bei einem normal informierten und angemessen aufmerksamen Nutzer den Eindruck, dass Amazon in ihrem Namen und auf eigene Rechnung die von Drittverkäufern zum Verkauf angebotenen Louboutin-Produkte vermarktet.

Mit diesem wegweisenden Grundsatzurteil nimmt der Europäische Gerichtshof nun den Onlineriesen Amazon in die Verantwortung und hat damit die Ansicht Louboutins bestätigt.

Dieses Urteil zeigt, dass Markeninhaber nun beim Vorliegen einer Markenverletzung und der Erfüllung der vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen nicht nur gegen die einzelnen Händler, sondern auch gegen den Marktplatzbetreiber vorgehen können.

 

Henriette März

Praxisgruppe für Markenrecht

 

Diese Veröffentlichung ist eine allgemeine Zusammenfassung des Gesetzes. Sie soll eine auf Ihre konkrete Situation zugeschnittene Rechtsberatung nicht ersetzen.

© Withers & Rogers LLP Januar 2023