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Erfolg vor dem Bundesgerichtshof

19 April 2023

BGH äußert sich zur Frage, inwiefern der Einbau von Ersatzteilen zu einer die Erschöpfungswirkung verdrängenden Neuherstellung führt.

Am 8. November 2022 verkündete der BGH nun in dem Rechtsstreit, in dem es um die Frage einer die Erschöpfungswirkung verdrängenden Neuherstellung ging, sein Urteil (8. November 2022, X ZR 10/20), mit welchem er die Entscheidungen der Vorinstanzen aufhob und die Klage vollumfänglich zurückwies. Damit ist er den Ausführungen der Beklagtenvertreter der Kanzlei Withers & Rogers, Patentanwalt Dr. Ernst-Ulrich Wittmann und Rechtsanwältin Ute Pfaller, gefolgt.

Gegenstand des Rechtsstreits war der Vertrieb von Bremsbelagsätzen durch die Beklagte, die als Ersatzteile für von der Klägerin hergestellte patentrechtlich geschützte Scheibenbremsenmodelle geeignet sind. Zu dem mitgelieferten Einbauzubehör gehörten zwei Verschleißbleche. Die Klägerin sah darin eine mittelbare Verletzung des Klagepatents.

Das LG Düsseldorf entschied in erster Instanz (Entscheidung vom 07.02.2019 – 4C O 98/17), dass auch bei Austausch eines Verschleißteils von einer Neuherstellung – und damit einer patentrechtlich relevanten Benutzungshandlung – auszugehen sei, da gerade die angegriffenen Verschleißbleche verantwortlich seien für die Verwirklichung der patentgemäßen Lehre, denn durch die anspruchsgemäßen Verschleißbleche werde die Wartung der gattungsgemäßen Bremse erheblich vereinfacht, da nur noch die vergleichsweise einfach aus- und wieder einzubauenden Bleche, nicht aber der Bremsträger als solcher ausgetauscht zu werden bräuchten.

Damit sei es also gerade die angegriffene Ausführungsform, die für den patentgemäßen Vorteil und die Lösung der (Teil-)Aufgabenstellung der Wartungsfreundlichkeit verantwortlich sei.

Auch in der nächsten Instanz entschied das Berufungsgericht nicht anders (OLG Düsseldorf, 23.01.2020 – I-2 U 13/19).

Mit dem Einbau der von der Beklagten als Ersatzteile für von der Klägerin hergestellte Scheibenbremsen vertriebenen Verschleißbleche entstehe eine unmittelbar patentbenutzende Scheibenbremse mit sämtlichen Merkmalen der Patentansprüche.

Der Vertrieb der streitbefangenen Verschleißbleche begründe eine mittelbare Verletzung des Klagepatents, da sie ein wesentliches Element der patentgeschützten Erfindung seien, nachdem sie im kennzeichnenden Teil des Hauptanspruchs ausdrücklich erwähnt seien und einen entscheidenden Lösungsbeitrag leisteten.

Diese Beurteilung hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei es der Klägerin aufgrund des Grundsatzes der Erschöpfung verwehrt, sich gegen den Einsatz der angegriffenen Verschleißbleche in Bremsen zu wenden, die mit Zustimmung der Klägerin in den Verkehr gebracht worden sind.

Die rechtmäßigen Erwerber wie auch diesen nachfolgende Dritterwerber – einschließlich Wettbewerber des Patentinhabers – seien befugt, diese Exemplare bestimmungsgemäß zu gebrauchen, an Dritte zu veräußern oder zu einem dieser Zwecke Dritten anzubieten.

Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehörten die Erhaltung und Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit, wenn die Funktions- oder Leistungsfähigkeit des konkreten Exemplars ganz oder teilweise durch Verschleiß, Beschädigung oder aus anderen Gründen beeinträchtigt oder aufgehoben sei. Vom bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht umfasst seien hingegen alle Maßnahmen, die darauf hinauslaufen, ein patentgemäßes Erzeugnis erneut herzustellen, denn die ausschließliche Herstellungsbefugnis des Patentinhabers werde mit dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Exemplars des patentgemäßen Erzeugnisses nicht erschöpft.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei eine Neuherstellung auch nicht wegen der technischen Wirkungen der angegriffenen Teile zu bejahen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch und Neuherstellung grundsätzlich in erster Linie maßgeblich, ob die ergriffenen Maßnahmen die Identität des bereits in Verkehr gebrachten konkreten Exemplars eines patentgemäßen Erzeugnisses wahren oder der Schaffung eines neuen Exemplars des patentgemäßen Erzeugnisses gleichkommen.

Zur Beurteilung dieser Frage bedürfe es einer die Eigenart des patentgeschützten Erzeugnisses berücksichtigenden Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung einerseits und des Abnehmers am ungehinderten Gebrauch des in den Verkehr gebrachten konkreten erfindungsgemäßen Erzeugnisses andererseits.

Selbst wenn die angegriffenen Verschleißteile zu den Teilen gehören, in denen sich diese erfindungsgemäßen Wirkungen widerspiegeln, führe ihr Austausch jedoch nicht zu einer Neuherstellung.

Die technische Wirkung der angegriffenen Verschleißteile bestehe allein darin, dass sie verschleißen und damit einem Verschleiß des fest angeschweißten Bremsträgers entgegenwirken. Diese Wirkung reiche nicht aus, um eine Neuherstellung zu bejahen.

Durch den Austausch eines bestimmungsgemäß als Verschleißteil ausgebildeten und auf diese Funktion beschränkten Bauteils werde dem davon betroffenen Erzeugnis keine technische Funktion hinzugefügt. Vielmehr werden lediglich erneut die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Erzeugnis die angestrebte lange Lebensdauer erreichen könne. Die Erhaltung der angestrebten Lebensdauer gehöre aber zu denjenigen Handlungen, zu denen ein rechtmäßiger Erwerber und dessen Nachfolger grundsätzlich befugt seien.

Diese Befugnis könne zwar eingeschränkt sein, soweit der Austausch eines Verschleißteils dazu führe, dass technische Wirkungen der Erfindung, die aufgrund des Verschleißes verloren gegangen oder eingeschränkt worden sind, erneut herbeigeführt oder ermöglicht werden würden. Diese Ausnahme könne aber nicht gelten, wenn die technische Wirkung des ausgetauschten Teils allein darin bestehe, durch Ausbildung als Verschleißteil die Nutzbarkeit des Erzeugnisses insgesamt zu erhalten.

Fazit:

Der BGH hat hier eine wertende Betrachtung anhand patentrechtlicher Überlegungen vorgenommen und einen angemessenen Ausgleich zwischen den schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung und den schutzwürdigen Interessen des Abnehmers am ungehinderten Gebrauch des in den Verkehr gebrachten Erzeugnisses gefunden.

Wenn einem Nutzer der Austausch eines Verschleißteils schon deshalb verwehrt wäre, weil der Verschleiß dieses Teils zu den erfindungsgemäßen Wirkungen gehören würde, ohne darüberhinausgehende weitergehende Wirkungen zu haben, so würde dies zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der rechtmäßigen Abnehmer führen.

Die Entscheidung des BGH bringt nunmehr also auch Sicherheit für die Abnehmer in Bezug auf den Gebrauch und Einbau von Ersatzteilen.